Samstag, 1. November 2014

Er rafft es nicht


Jetzt sage ich dann doch mal was Längeres zu Gamergate, obwohl ich eigentlich mir geschworen habe die Schnauze zu halten. Hauptsächlich weil ich vermeiden will in diesen Strudel aus Gruppendenken gezogen zu werden, der in aller Regel folgt, wenn man was dazu sagt. Die Reaktionen von "Gamergatern" auf Kritik erinnert mich irgendwie an Debatten die ich mit Kreationisten und Atheisten hatte. Selten ging es in diesen Gesprächen darum, wirklich sich über ein Thema zu unterhalten, sondern darum die andere Person mit Tonnen von obskurem Wissen zu überhäufen. Als Mensch der versucht moderat zu argumentieren, hast du in den Situation quasi verloren. Zum einen willst du nicht wirklich Menschen und Meinungen ausschließen (was ich einfach nicht kann) auf der anderen Seite willst du diesen Menschen auch nicht das Gefühl geben als würdest du deren Meinung gutheißen oder gar bestätigen.
Ich habe Ende August sehr viele Leute von meinen Twitterlisten entfernt, weil ich einfach mit der Menge an Negativität nicht klar kam, allerdings habe ich gemerkt, dass man Gamergate nicht entkommen kann und ich glaube auch nicht, dass es in absehbarer Zeit verschwinden wird. Ich habe versucht einen offenen Verstand zu besitzen, auch wenn ich einen Großteil der Menschen die mit Gamergate sympathisieren sehr unsympathisch finde. Zu großen Teilen hatte dies auch mit TotalBiscuit zu tun, der sich vor einigen Wochen offen zu Gamergate bekannte und dessen Arbeit ich an sich immer sehr geschätzt habe (auch wenn ich nicht mit all seinen Positionen übereinstimme). Ich habe mir gedacht, wenn er sich für dieses Ding einsetzt, dann ist entweder
a) was an dem Zeug dran, oder
b) er vielleicht in der Lage das Ganze in etwas ruhigere Bahnen zu lenken.
 
Was ich in seinen letzten Auftritten nur immer und immer wieder realisiert habe ist, dass er es nicht rafft. Nicht nur das. Er verwendet in seinen Argumenten doppelte Standards.
Auf der einen Seite verurteilt er öffentlich die Behandlung die David Pakman erhielt, aber nirgends findet sich eine ähnliche öffentliche Verurteilung der Behandlungen die zahlreiche Entwickler und Journalisten widerfahren ist. Er lehnt Interviewanfragen von TV Sendern ab, bei denen er fürchtet falsch widergegeben zu werden und verurteilt gleichzeitig, wenn andere das gleiche Recht für sich in Anspruch nehmen.
Er macht ein Video in dem er über eineinhalb Stunden Steven Totilo mit Fragen zuwirft zu denen dieser oft schlicht und ergreifend nichts sagen kann, weil er nicht an dem Problem beteiligt war. Nicht nur das, er realisiert nicht mal wie furchtbar banal die meisten Probleme eigentlich sind, die Gamergate aufwirft.
Er kritisiert es, wenn Polygon Bayonetta 2 niedrig bewertet, weil die Autorin ein Problem mit der Darstellung der Protagonistin hat, da es ja eventuell die Metakritikwertung und eventuelle Boni beschädigen könnt, ignoriert aber vollkommen, dass es nicht der Job von Kritikern ist, sich Sorgen um die Finanzen von Entwicklerstudios zu machen. Wenn dies der Fall wäre, so dürfte kein Kritiker jemals ein Spiel in die Pfanne hauen, da er/sie befürchten müsste dadurch ja Studio finanziell zu schaden.
Er kritisiert offen, dass sich GG mit Personen assoziiert, die Bekannte und Freunde von ihm belästigt haben, unternimmt aber nichts bei Personen die sich ähnlich gegenüber Menschen verhalten mit denen er nichts zu tun hat.
 
Seine Haltung, dass er (oder Gamergate als solches) gegen Belästigung vorgehen würde, sobald deren Forderungen Gehör erhalten (wie er es sowohl in dem Gespräch mit Steven Totilo als auch David Pakman sagt), ist unverhältnismäßig und grundsätzlich bescheuert. Führen wir uns mal vor Augen, was er (quasi Stellvertretend für GG, auch wenn GG ja eigentlich ein führerloser Blob ist) fordert:
Die Deklarierung von persönlichen Beziehungen zwischen Entwicklern und Journalisten
Eine quasi "Entpolitisierung" von Spielewertungen
Ein Stopp der Absprachen zwischen Journalisten die für unterschiedliche Seiten arbeiten (dieser "Gamejournopros" Kram)
 
Auf der Gegenseite haben wir eine größere Gruppe an Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, sowas wie ein normales Privatleben zu haben, weil diese Forderungen dort oben nicht umgesetzt wurden. Ganz abgesehen davon, dass in den Augen der Personen die meinen Menschen systematisch zu zerstören sei eine gute Sache, diese Ziele niemals wirklich erreicht werden können.
 
Der einzige Punkt wo ich mit TB übereinstimme ist, dass diese "Gamers are Dead" Artikel unnötig Öl ins Feuer gegossen und Grenze gezogen haben, die genutzt werden konnte um "Gamer" quasi unter einem Banner (nämlich Gamergate) zu vereinen. Aber letzten Endes hilft es niemanden jetzt einen auf "Captian Hindsight" zu machen, denn der Schaden ist längst angerichtet worden.
TB ist unglaublich gut darin ein in sich geschlossenes Argument zu präsentieren. Er ist furchtbar überzeugend. Doch zeigt diese Geschichte, dass es wichtig ist, nicht immer auf die Worte von Menschen zu achten, sondern auch auf das Verhalten und hier bricht er leider vollkommen zusammen.
 
Meine eingangs erwähnten Gedanken, warum sich TB an diesem Kult (und das ist Gamergate) beteiligt, haben sich mittlerweile etwas geändert: Entweder TB beteiligt sich an GG, weil er
a) wirklich an dem Kram glaubt
oder
b) er erkannt hat, dass sich mit Gamergate zu assoziieren ihm enorme Vorteile bringt was seine Zuschauer/Abonnentenzahlen angeht
 
Wenn a) stimmt, so tut es mir furchtbar für ihn Leid. Wenn b) stimmt, dann macht er immerhin seinem Titel als "Cynical Brit" alle Ehre.
 
Letzten Endes muss jeder Mensch für sich selbst entscheiden, für welche Zwecke sie sich entscheiden. Ich persönlich denke, dass ich mich für seriöse und korrekte Berichterstattung über Computerspiele einsetzen kann, ohne mich mit einer Gruppe an Menschen zu assoziieren, die meinen andere Menschen aus der Industrie zu treiben und permanent zu belästigen.
Ich muss sagen, dass ich ziemlich enttäuscht bin, wie sich TB verhält. Nicht weil er sich mit GG assoziiert, sondern weil er inkonsequent in seinem Verhalten ist und seinen Worten nur sehr wenig Taten folgen lässt.
Was mich nur irgendwo amüsiert, ist das TB jetzt das hat was er eigentlich immer verabscheute. Eine Gruppe an blinden, kritiklosen Jüngern die alles toll finden was er sagt und ihn auf ein Podest heben.
 
Wie immer: Wer meint mich jetzt in irgendein Camp zu stecken, kann dies gerne tun. Ich werde weiter meine Videos machen, weil ich arbeitslos bin und im Moment etwas brauche um die Zeit Tod zu schlagen.
 
P.S.: Das heißt nicht, dass ich das Verhalten derjenigen die gegen Gamergate vorgehen immer korrekt und toll finde und ich denke, dass viele Leute diesen Artikel von Jenni Goodchild lesen sollten.
 
P.P.S.: Um Missverständnisse zu vermeiden: Menschen ungefragt mit aufdringlichen Fragen zu bombardieren und nicht aufzuhören, wenn diese darum bitten, sehe ich als Belästigung an, auch wenn die belästigenden Personen sich höflich verhalten.
 
P.P.P.S.: Ich habe viele meiner Punkte nur angerissen, weil ich keinen Nerv habe sie jetzt gerade weiter zu erläutern. Das meiste kann ohnehin bereits irgendwo anders nachgelesen werden und selbst wenn ich meine Punkte erläutern würde: Was ich so an Reaktionen von Gamergate Sympathisanten gesehen habe zeigt mir, dass viele dort eh kein Interesse an Argumenten haben die  nicht ihrer eigenen Meinung widersprechen.
 
P.P.P.P.S.: Ja ich weiß, nicht alle die auf Gamergate rumlaufen machen Morddrohungen.