Dienstag, 8. Januar 2013

Gespielt: Super Hexagon



Mein Erzfeind...

Super Hexagon ist, laut seiner Steampage, ein 'minimalistisches Actionspiel'. Diese Bezeichnung ist so nichtssagend wie auch jeder Screenshot, ja sogar jedes Video.

Vielleicht kann eine detaillierte Beschreibung  hier weiterhelfen. Versuchen wir es doch einfach mal und schauen uns das Ergebnis am Ende an:

Also, worum geht es in Super Hexagon?


Man steuert ein kleines Dreieck, was auf dem Rande eines großen Sechsecks ('Hexagon' ist ein intelligenteres Wort für Sechseck) herum gleitet.
Man muss auf diesem Sechseck herum gleiten, weil man permanent irgendwelchen heranstürmenden Mustern ausweichen muss. Schafft man es nicht und kollidiert mit einem, so ist das Spiel sofort vorbei und man muss wieder von vorne anfangen. ‚Ziel‘ des Spiels ist es in jedem der sechs Schwierigkeitsgrade mindestens eine Minute lang zu überleben. Das ist jedoch nicht ganz korrekt, weil rein theoretisch das Spiel gar kein ‚echtes Ende hat. Es läuft so lange weiter, solange man in der Lage ist zu überleben. Onlineleaderboards sei Dank, weiß man mittlerweile auch, dass dies ganz schön lange sein kann. Die Weltbestzeiten liegen in aller Regel immer irgendwo zwischen drei und fünf Minuten. Aber wir preschen zu schnell vorwärts. Der normale Durchschnittsmensch ist nämlich nicht für solche Sperenzien geeignet. Er kann in der Tat froh sein, wenn er das Basisziel von einer Minute schafft. Nein, zu Beginn kann er sich freuen, wenn er länger als fünf Sekunden überlebt.
Wir dürfen nämlich nicht vergessen wer dieses Spiel entworfen hat. Terry Cavanagh, auch besser bekannt als 'das Arschloch das sich VVVVV ausgedacht hat‘ inklusiver so feiner Folterwerkzeuge wie Veni Vidi Vici, oder den Super Graviton (was im Grunde ein früher Prototyp von Super Hexagon war).
Wer VVVVV gespielt hat, weiß welcher Art von Spieldesigner Terry Cavanagh ist. Er gehört zu der Sorte die wollen, dass sich Spieler etwas verdienen, wie er auch dieser Tweet von ihm aus dem letzten Sommer belegt




Super Hexagon macht einem nichts leicht. Es gibt kein Tutorial, keine wirkliche Beschreibung der Spielmechanik und die Bezeichnungen der Schwierigkeitsgrade hilft auch nicht weiter: Sie beginnen bei 'Hard' und gehen dann über zu 'Harder', 'Hardest' über in Fantasiekonstruktionen wie 'Hardestestest'.
In keinster Weise weiß der unerfahrene Nutzer hier wo er anzufangen hat. Und startet er sein erstes Spiel, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ihm die nette Frauenstimme direkt nach dem netten 'Begin' ein deprimierendes 'Game Over' entgegen schleudert. Verwirrt wird man sofort das Spiel neustarten und ehe man sich versieht, ist man wieder tot. Man war einfach nicht darauf vorbereitet, dass das Spiel ohne Unterbrechung wieder von vorne losgeht. Ja, der Übergang ist so fließend, dass die eigene Spielfigur sich noch an derselben Position befindet an der man zuvor gescheitert ist.
Mit Reaktionsfähigkeit und etwas Geschick schafft man es irgendwann vielleicht 10, oder 15 Sekunden zu überleben. Dann komm man jedoch an einen Punkt an dem man sich ernsthaft fragt, ob diese ganzen Bestzeiten von Robotern aufgestellt wurden und dieses Spiel einen verarschen will.

Viele hören an diesem Punkt erst einmal auf. Die Frustration ist einfach zu groß. Doch wer in den nächsten Tagen ab und an wieder in das Spiel schlüpft, was sehr einfach geht, liegt die durchschnittliche Spielzeit doch bei knapp drei Sekunden, wird etwas wundersames bemerken. Das Spiel wird langsamer. Wo man zuvor nur eine Kakophonie aus Lichtern, Strichen und Chitpunemusik wahrnahm, die auf einen zu pulste eine wie eine degenerierte Version vom Sat1 Superball, sieht man plötzlich Muster und Öffnungen. Man merkt, dass es immer bestimmte Abfolgen von Mustern gibt. Man gibt Mustern die man nicht mag Namen. 'Oh diese bescheuerte Eckenspirale!'  wird man laut ausrufen, wenn man mal wieder ein an sich erfolgreicher Versuch unterbrochen wurde (wer kreativer ist als ich gibt denen vielleicht auch etwas bessere Namen, wie 'Horst').

Ohnehin fängt man an, merkwürdige Verhaltensweisen zu entwickeln. Ich zum Beispiel habe eine 'Super Hexagon' Sitzposition. Der Körper zurückgelehnt, die rechte Hand entspannt auf der Maus, während die linke Hand sanft den rechten Unterarm umklammert. Jede Abweichung von dieser Position und ich fühle mich so unkomfortabel, dass ich nicht in der Lage bin, dieses Spiel zu spielen. Man hat einen bestimmten ‚Blick‘ auf den Monitor während man das Spiel spielt und eigentlich guckt man gar nicht aktiv auf den Bildschirm. Die tatsächliche 'Leistung' um Super Hexagon zu spielen leistet das Unterbewusstsein. Ein gewisses Maß an Vertrautheit mit einem bestimmten Modus vorausgesetzt, und man kann sich hervorragend mit jemandem unterhalten, oder über irgendwelche existentiellen Probleme nachdenken, während gleichzeitig das Unterbewusstsein ein kleines Dreieck im atemberaubenden Tempo durch ein Labyrinth aus Mustern fliegen lässt.



Aber macht euch nichts vor: Selbst wenn ihr einen Superhexagon 'Blick' und eine Superhexagon Sitzposition habt, werdet ihr vermutlich oft scheitern, vor allem auf den höheren Schwierigkeitsgraden. Die Toleranz für Fehler ist gleich null und ein kurzer Moment der Unsicherheit und es ist vorbei. Aber diese wenigen Male wo alles zu klappen scheint und man wie in Trance durch das Spiel fliegt, seine eigene Bestzeit pulverisiert und man dann nach dem unausweichlichen (und jedes Mal aufs neue deprimierenden) Scheitern verträumt auf den Bildschirm schaut und eigentlich gar nicht so genau weiß, was passiert ist, sind einzigartig.

Es gibt kein 'perfektes' Spiel, aber es gibt 'perfekt designte' Spiele. Spiele die das, was sie tun wollen so exakt umsetzen, dass sie keine tatsächlichen Schwächen haben. Super Hexagon ist ein solches Spiel.
Die Präsentation ist makellos, der Soundtrack passt perfekt und bereichert das Spiel, die Steuerung ist, nach ein bisschen Gewöhnungszeit, präzise und das Spiel tut alles um einen bei der Stange zu halten. Nicht nur, dass man das Spiel quasi unmittelbar nachdem man gescheitert ist, wieder neu starten kann (und damit Frustration eher in eine ‚dir zeig ich es jetzt‘ als in eine ‚ach leck‘ mich doch‘-Reaktion umleitet). Länger am Leben zu bleiben bedeutet auch, den Soundtrack länger zu hören und die Ansagen im Spiel, wenn man mal wieder eine bestimmte Zeitgrenze überschritten hat, oder gar seinen vorherige Bestzeit überboten hat, tun ihr übriges um einen während der schwereren Momente bei der Stange zu halten.
Super Hexagon kann einen quälen und treten, aber nicht weil es den Spieler nicht leiden kann, ganz im Gegenteil. Es ist der Überzeugung, dass der Spieler besser ist als er es sich selbst zutraut und alles was es tut, ist in der Absicht ihn zu diesem Potential zu treiben. Die Highscoreliste in Super Hexagon ist für mich kein Testament wer in diesem Spiel am bescheuertesten ist. Es ist für mich ein Ansporn, ein Ziel, weil ich weiß, dass es nichts gibt, was mich davon abhält noch länger durchzuhalten als diese Menschen.



So, hat das ganze irgendwie weitergeholfen? Spürt ihr den Rausch, wenn ihr plötzlich realisiert, dass ihr auf dem zweithöchsten Schwierigkeitsgrad auf die zwei Minuten Marke zusteuert? Und die unglaubliche Frustration, wenn ihr bei 118 Sekunden aufgrund einer plumpen Unaufmerksamkeit scheitert? Das Adrenalin und Anspannung die durch euren Körper fliegt, wenn ihr gerade so eine Kombination übersteht, die euch normalerweise IMMER besiegt hat?

Vermutlich nicht. Denn um Super Hexagon wirklich zu verstehen, muss man es spielen.