Mittwoch, 3. September 2014

Die letzten zwei Wochen


[Anmerkung: Dieser Text ist relativ spontan entstanden, doch habe ich beschlossen ihn so zu belassen, da ich ansonsten vermutlich das ganze Teil wieder einstampfen würde. Einige Argumente sind vielleicht nicht vollständig ausformuliert. Sollte ich mich irgendwo unklar ausgedrückt haben, sagt bescheid.
Wer meint mich mit diversen Links zu irgendwelchen Videos, oder komischen, mit Pfeilen versehen Bildern beglücken zu wollen, mag bitte gehen. Um dieses Thema geht es mir nicht und ich habe kein Interesse daran es zu diskutieren.]


Die letzten zwei Wochen waren sehr unangenehm für mich, aus vielen Gründen. Zum einen war ich von der erneuten Welle des Hasses der über diverse, hauptsächliche weibliche Persönlichkeiten innerhalb der Computerspielszene einbrach schockiert. Gleichzeitig war ich jedoch auch von einigen Gegenreaktionen abgestoßen, was es mir schwer machte mich aktive mit diesen Personen zu assoziieren. Ich will kurz ausführen, warum mir diese Geschichte am Herzen liegt, warum es mir persönlich wichtig ist ein Umfeld zu erschaffen in dem Menschen keine Angst vor ihren Ideen und ihrer eigenen Identität haben sollen und warum ich gleichzeitig Probleme damit habe, aktiv gegen Leute vorzugehen, die diese Dinge bedrohen.


Ich hatte lange Zeit Angst vor meinen eigenen Ideen, hatte nie genug Mut auch nur irgendwas wirklich zu versuchen. Ich hatte immer das Gefühl, das mich etwas blockiert und mich daran hindert nicht nur das zu tun was ich wirklich möchte, sondern auch selbstbewusst zu diesen Dingen zu stehen.
Ich habe mich unfrei gefühlt. Das ganze begann sich vor zwei Jahren zu verändern, als ich mich durch das Desaster was irgendwann meine Magisterarbeit wurde kämpfte und ich wissenschaftliche Artikel nicht mehr sehen konnte. Es war eine merkwürdige Zeit, denn ich realisierte das ich eigentlich keine Lust darauf habe mein ganzes Leben lang ein Akademiker zu sein, obwohl dies bis dahin mein Ziel war.
Ich begann zu schreiben. Zunächst Beschreibungen von Menschen die ich beobachtete und irgendwann kürzere Geschichten. Ich tat dies ohne Ziel und ohne Plan. Ich folgte einfach meinen Gedanken. Es befreite mich. Ich begriff, dass die Schranken die ich permanent fühlte nur in meinem Kopf existieren und dass ich einfach beschließen kann, sie fallen zu lassen.
Ich begriff, dass Kreativität nur dann fließen kann, wenn Menschen keine Angst vor den Konsequenzen ihrer eigenen Ideen haben brauchen.
Seitdem bin ich besessen von dem Gedanken diese Schranken niederzureißen wo auch immer ich sie sehe.
Die Ereignisse die in den letzten Wochen durch die Computerspielszene zogen machten mich traurig, denn die Belästigungen von Zoe Quinn und Anita Sarkeesian waren genau das was ich nicht mehr sehen wollte. Versuche von einer Gruppe Menschen die davon besessen waren andere Menschen zu zerstören, nur weil ihnen deren Gedanken nicht passten. Zudem trafen diese Aktionen auch Menschen, deren Arbeiten mir persönlich sehr wichtig waren und der Gedanke, dass ein wilder Mob diese aus dem Medium treiben könnte hat mich wütend gemacht.
Gleichzeitig war ich jedoch machtlos, denn ich bin kein Mensch der gut mit Konflikten klarkommt. Ich tendiere dazu wegzurennen, wenn mir etwas zu unangenehm wird oder ich nicht genau weiß, was ich tun kann.
Zudem habe ich grundsätzliche Probleme mit Gruppen, bzw. Gruppenkonflikten. Gruppenkonflikte benötigen immer extreme Verallgemeinerungen um zu funktionieren. Die Gegenseite MUSS das exakte Gegenteil dessen sein, was man selbst repräsentiert. Ansonsten kann es keinen Konflikt geben. Doch sind Menschen nicht solch binäre Wesen. Die Unterschiede zwischen uns sind extrem gering. Gruppenkonflikte erzeugen also stets ein falsches Abbild der Realität und zwangsläufig werden in diesem Prozess Menschen verletzt, die nichts mir dem eigentlichen Konflikt zu tun hatten.

Hinzu kam noch, dass von diversen Personen aus dem "progressiven" Lager dehumanisierende Begriffe verwendet wurden die auf mich selbst zutreffen.
Ich bin übergewichtig, 30 Jahre alt, mache YouTube Videos über Computerspiele, hatte noch nie in meinem Leben intimen Kontakt zu irgendeinem anderen Menschen und bin in sozialen Situationen manchmal etwas merkwürdig. Mit Ausnahme des Attributs "Lebt im Keller seiner Eltern" treffe ich voll und ganz auf das Klischee, des fetten Nerds zu, das regelmäßig auf die Personen geschmissen wurde die denken, Mordrohungen gegen Frauen auszustoßen nur weil diese Frauen sind und über Computerspiele sprechen sei eine akzeptable Form eine Debatte zu führen. Zusätzlich bin ich noch ein "Parasit", weil ich Gameplayvideos mache.
Nun ist mir klar, dass diese Angriffe nicht auf mich gerichtet waren, sondern auf irgendeine anonyme Gruppe, doch warum soll ich mich mit Menschen assoziieren, die anscheinend das was mich als Person ausmacht als negativ empfinden?

Es gibt noch weitere Dinge die mich stören. Der oft vorhandene intellektuelle Elitsmus der in den Angriffen drinsteckt. Zugang zu besserer Bildung, die Fähigkeit Dinge in einem größeren Zusammenhang zu sehen oder die Möglichkeit in einem breiteren kulturellen Umfeld aufzuwachsen sind Dinge über die wir Menschen wenig direkte Kontrolle besitzen. Es sind keine Dinge auf die wir Stolz sein sollten und die wir verwenden sollten um uns über andere zu stellen.
Andere Menschen zudem noch als "Neanderthaler" bzw. "Höhlenmenschen" zu bezeichnen ist dehumanisierend und zeugt zudem auch noch davon, dass die betroffenen Personen keine Ahnung über die Stammesgeschichte des Menschen besitzen. Es gibt keine Belege dafür, dass Neanderthaler "dümmer" waren als wir. Der Stereotyp des tumben, keule schwingenden Halbaffens ist falsch, seit mindestens 50 Jahren überholt und stammt zudem noch aus einer Zeit in der es für europäisch stämmige Menschen üblich war, Menschen anderen Regionen der Welt als objektiv minderwertiger zu betrachten. Dieser Stereotyp ist also nicht nur faktisch falsch sondern beruht zudem auch noch sehr wahrscheinlich auf der gleichen Denkweise wie der Rassismus mit dem wir heute noch zu kämpfen haben.

Moderne Menschen außerhalb Afrikas teilen 4% des Genoms mit Neandertalern. Neanderthaler waren Menschen, vielleicht ein wenig anders als wir, aber es waren Menschen. Nur weil diese Menschen nicht mehr leben, heißt es noch lange nicht, dass es akzeptabel ist diese als Abfalleimer für all die Eigenschaften zu wählen die uns nicht passen. Zudem macht es uns dieser Akt es leicht eines zu ignorieren: Das Hass, Sexismus, Rassismus und Engstirnigkeit menschliche Eigenschaften sind. Das Menschen die diese Dinge denken. Das wir eventuell so denken könnten, wenn wir in einem anderen Kontext aufgewachsen wären. Das wir zu einem solchen Verhalten fähig sind.
In Konflikten wird immer dehumanisiert, deshalb sind sie so gefährlich und deshalb tue ich mein bestes mich von ihnen fernzuhalten.


Letzten Endes bleibt mir also nur eine Sache übrig: Ich will die Dinge zu unterstützen die mir wichtig sind.
Ich will einen Raum erschaffen in dem Menschen sich kreativ entfalten können, ohne auf Schranken zu achten. Ich will dazu beitragen, dass marginalisierte Gruppen nicht mehr am Rand stehen und meinen sie seien "nicht gut genug" für die Dinge, die sie tun wollen. Nur will ich dies nicht über die Dehumanisierung anders denkender erreichen. Was mir also bleibt ist zu versuchen immer und immer zu zeigen, dass Offenheit positiv für uns alle ist. Das Leben ist zu schön um es damit zu verbringen nicht das zu tun, was man wirklich möchte. Wir sollten nicht Angst vor unseren Ideen haben und niemals, niemals sollten wir andere Menschen durch Einschüchterung und Ausgrenzung daran hindern ihre Ideen umzusetzen.
Packt mich wegen mir in irgendein Lager, wenn euch das hilft, erwartet nur nicht, dass ich mit euch in den Schützengraben steige.