[Anmerkung: Dieser Text ist relativ spontan entstanden, doch
habe ich beschlossen ihn so zu belassen, da ich ansonsten vermutlich das ganze
Teil wieder einstampfen würde. Einige Argumente sind vielleicht nicht
vollständig ausformuliert. Sollte ich mich irgendwo unklar ausgedrückt haben,
sagt bescheid.
Wer meint mich mit diversen Links zu irgendwelchen Videos,
oder komischen, mit Pfeilen versehen Bildern beglücken zu wollen, mag bitte
gehen. Um dieses Thema geht es mir nicht und ich habe kein Interesse daran es
zu diskutieren.]
Die letzten zwei Wochen waren sehr unangenehm für mich, aus
vielen Gründen. Zum einen war ich von der erneuten Welle des Hasses der über
diverse, hauptsächliche weibliche Persönlichkeiten innerhalb der Computerspielszene
einbrach schockiert. Gleichzeitig war ich jedoch auch von einigen
Gegenreaktionen abgestoßen, was es mir schwer machte mich aktive mit diesen
Personen zu assoziieren. Ich will kurz ausführen, warum mir diese Geschichte am
Herzen liegt, warum es mir persönlich wichtig ist ein Umfeld zu erschaffen in
dem Menschen keine Angst vor ihren Ideen und ihrer eigenen Identität haben
sollen und warum ich gleichzeitig Probleme damit habe, aktiv gegen Leute
vorzugehen, die diese Dinge bedrohen.
Ich hatte lange Zeit Angst vor meinen eigenen Ideen, hatte
nie genug Mut auch nur irgendwas wirklich zu versuchen. Ich hatte immer das
Gefühl, das mich etwas blockiert und mich daran hindert nicht nur das zu tun
was ich wirklich möchte, sondern auch selbstbewusst zu diesen Dingen zu stehen.
Ich habe mich unfrei gefühlt. Das ganze begann sich vor zwei
Jahren zu verändern, als ich mich durch das Desaster was irgendwann meine
Magisterarbeit wurde kämpfte und ich wissenschaftliche Artikel nicht mehr sehen
konnte. Es war eine merkwürdige Zeit, denn ich realisierte das ich eigentlich
keine Lust darauf habe mein ganzes Leben lang ein Akademiker zu sein, obwohl
dies bis dahin mein Ziel war.
Ich begann zu schreiben. Zunächst Beschreibungen von
Menschen die ich beobachtete und irgendwann kürzere Geschichten. Ich tat dies
ohne Ziel und ohne Plan. Ich folgte einfach meinen Gedanken. Es befreite mich.
Ich begriff, dass die Schranken die ich permanent fühlte nur in meinem Kopf
existieren und dass ich einfach beschließen kann, sie fallen zu lassen.
Ich begriff, dass Kreativität nur dann fließen kann, wenn
Menschen keine Angst vor den Konsequenzen ihrer eigenen Ideen haben brauchen.
Seitdem bin ich besessen von dem Gedanken diese Schranken niederzureißen
wo auch immer ich sie sehe.
Die Ereignisse die in den letzten Wochen durch die
Computerspielszene zogen machten mich traurig, denn die Belästigungen von Zoe
Quinn und Anita Sarkeesian waren genau das was ich nicht mehr sehen wollte.
Versuche von einer Gruppe Menschen die davon besessen waren andere Menschen zu
zerstören, nur weil ihnen deren Gedanken nicht passten. Zudem trafen diese
Aktionen auch Menschen, deren Arbeiten mir persönlich sehr wichtig waren und
der Gedanke, dass ein wilder Mob diese aus dem Medium treiben könnte hat mich
wütend gemacht.
Gleichzeitig war ich jedoch machtlos, denn ich bin kein
Mensch der gut mit Konflikten klarkommt. Ich tendiere dazu wegzurennen, wenn
mir etwas zu unangenehm wird oder ich nicht genau weiß, was ich tun kann.
Zudem habe ich grundsätzliche Probleme mit Gruppen, bzw.
Gruppenkonflikten. Gruppenkonflikte benötigen immer extreme Verallgemeinerungen
um zu funktionieren. Die Gegenseite MUSS das exakte Gegenteil dessen sein, was
man selbst repräsentiert. Ansonsten kann es keinen Konflikt geben. Doch sind
Menschen nicht solch binäre Wesen. Die Unterschiede zwischen uns sind extrem
gering. Gruppenkonflikte erzeugen also stets ein falsches Abbild der Realität
und zwangsläufig werden in diesem Prozess Menschen verletzt, die nichts mir dem
eigentlichen Konflikt zu tun hatten.
Hinzu kam noch, dass von diversen Personen aus dem
"progressiven" Lager dehumanisierende Begriffe verwendet wurden die
auf mich selbst zutreffen.
Ich bin übergewichtig, 30 Jahre alt, mache YouTube Videos
über Computerspiele, hatte noch nie in meinem Leben intimen Kontakt zu
irgendeinem anderen Menschen und bin in sozialen Situationen manchmal etwas
merkwürdig. Mit Ausnahme des Attributs "Lebt im Keller seiner Eltern"
treffe ich voll und ganz auf das Klischee, des fetten Nerds zu, das regelmäßig
auf die Personen geschmissen wurde die denken, Mordrohungen gegen Frauen
auszustoßen nur weil diese Frauen sind und über Computerspiele sprechen sei
eine akzeptable Form eine Debatte zu führen. Zusätzlich bin ich noch ein
"Parasit", weil ich Gameplayvideos mache.
Nun ist mir klar, dass diese Angriffe nicht auf mich
gerichtet waren, sondern auf irgendeine anonyme Gruppe, doch warum soll ich
mich mit Menschen assoziieren, die anscheinend das was mich als Person ausmacht
als negativ empfinden?
Es gibt noch weitere Dinge die mich stören. Der oft
vorhandene intellektuelle Elitsmus der in den Angriffen drinsteckt. Zugang zu
besserer Bildung, die Fähigkeit Dinge in einem größeren Zusammenhang zu sehen
oder die Möglichkeit in einem breiteren kulturellen Umfeld aufzuwachsen sind
Dinge über die wir Menschen wenig direkte Kontrolle besitzen. Es sind keine
Dinge auf die wir Stolz sein sollten und die wir verwenden sollten um uns über
andere zu stellen.
Andere Menschen zudem noch als "Neanderthaler" bzw.
"Höhlenmenschen" zu bezeichnen ist dehumanisierend und zeugt zudem
auch noch davon, dass die betroffenen Personen keine Ahnung über die
Stammesgeschichte des Menschen besitzen. Es gibt keine Belege dafür, dass
Neanderthaler "dümmer" waren als wir. Der Stereotyp des tumben, keule
schwingenden Halbaffens ist falsch, seit mindestens 50 Jahren überholt und
stammt zudem noch aus einer Zeit in der es für europäisch stämmige Menschen
üblich war, Menschen anderen Regionen der Welt als objektiv minderwertiger zu
betrachten. Dieser Stereotyp ist also nicht nur faktisch falsch sondern beruht
zudem auch noch sehr wahrscheinlich auf der gleichen Denkweise wie der
Rassismus mit dem wir heute noch zu kämpfen haben.
Moderne Menschen außerhalb Afrikas teilen 4% des Genoms mit
Neandertalern. Neanderthaler waren Menschen, vielleicht ein wenig anders als
wir, aber es waren Menschen. Nur weil diese Menschen nicht mehr leben, heißt es
noch lange nicht, dass es akzeptabel ist diese als Abfalleimer für all die
Eigenschaften zu wählen die uns nicht passen. Zudem macht es uns dieser Akt es
leicht eines zu ignorieren: Das Hass, Sexismus, Rassismus und Engstirnigkeit
menschliche Eigenschaften sind. Das Menschen die diese Dinge denken. Das wir
eventuell so denken könnten, wenn wir in einem anderen Kontext aufgewachsen
wären. Das wir zu einem solchen Verhalten fähig sind.
In Konflikten wird immer dehumanisiert, deshalb sind sie so
gefährlich und deshalb tue ich mein bestes mich von ihnen fernzuhalten.
Letzten Endes bleibt mir also nur eine Sache übrig: Ich will
die Dinge zu unterstützen die mir wichtig sind.
Ich will einen Raum erschaffen in dem Menschen sich kreativ entfalten
können, ohne auf Schranken zu achten. Ich will dazu beitragen, dass
marginalisierte Gruppen nicht mehr am Rand stehen und meinen sie seien
"nicht gut genug" für die Dinge, die sie tun wollen. Nur will ich
dies nicht über die Dehumanisierung anders denkender erreichen. Was mir also
bleibt ist zu versuchen immer und immer zu zeigen, dass Offenheit positiv für
uns alle ist. Das Leben ist zu schön um es damit zu verbringen nicht das zu
tun, was man wirklich möchte. Wir sollten nicht Angst vor unseren Ideen haben
und niemals, niemals sollten wir andere Menschen durch Einschüchterung und
Ausgrenzung daran hindern ihre Ideen umzusetzen.
Packt mich wegen mir in irgendein Lager, wenn euch das hilft,
erwartet nur nicht, dass ich mit euch in den Schützengraben steige.